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Verordnung über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung

Für politische Werbung nutzen politische Akteur:innen oft die Dienste von Onlineplattformen und sozialen Netzwerken, um ihre politischen Botschaften möglichst gezielt an Personen bzw. Personengruppen – basierend auf deren demografischen Daten, politischen Interessen oder Verhaltensweisen – auszuspielen. Die zu diesem Zweck genutzten Targeting- und Anzeigenschaltverfahren bergen Datenschutzrisiken, die der europäische Gesetzgeber erkannt und aufgegriffen hat. Mit der Verordnung über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung (TTPW-VO) trifft die Europäische Union konkrete Regelungen für das Targeting und die Anzeigenschaltung im Zusammenhang mit politischer Werbung im Internet. 

Die Verordnung sieht spezifische Verbote sowie Dokumentations- und Informationspflichten für Verantwortliche vor. So müssen politische Akteur:innen, Sponsor:innen, Werbedienstleister:innen und Onlineplattformen ab 10. Oktober 2025 gemeinsam offenlegen, wer hinter einer Anzeige steht, welche Targetingmethoden genutzt wurden und welche politischen Prozesse sie betreffen. Das folgende FAQ gibt Aufschluss über die zentralen Fragen zur Verordnung und zu deren Anwendungsbereich.
 

Als politische Werbung gilt gemäß Art. 3 Nr. 2 TTPW-VO die Ausarbeitung, Platzierung, Förderung, Veröffentlichung, Zustellung oder Verbreitung einer Botschaft mithilfe eines beliebigen Mittels, die in der Regel gegen Entgelt oder im Rahmen interner Tätigkeiten bzw. als Teil einer politischen Werbekampagne erfolgt, sofern dies durch oder für einen politischen Akteur bzw. in dessen Namen geschieht oder dazu geeignet und darauf ausgerichtet ist, das Ergebnis einer Wahl bzw. eines Referendums, ein Abstimmungsverhalten oder einen Rechtsetzungs- bzw. Regulierungsprozess zu beeinflussen.
 

Politische Meinungsäußerungen von Privatpersonen gelten gemäß Art. 1 Abs. 3 TTPW-VO nicht als politische Werbung. Ausgeschlossen sind gemäß Art. 3 Nr. 2 TTPW-VO außerdem: 

  1. Mitteilungen aus amtlichen Quellen der Mitgliedstaaten oder der Europäischen Union, die sich ausschließlich auf die Organisation und die Modalitäten der Teilnahme an Wahlen bzw. Referenden, einschließlich der Bekanntgabe von Kandidaturen bzw. Referendumsvorlagen oder die Förderung der Teilnahme an Wahlen bzw. Referenden beziehen.
  2. öffentliche Kommunikation, mit der die Öffentlichkeit durch, für oder im Namen einer Behörde eines Mitgliedstaats bzw. der Europäischen Union, einschließlich der Mitglieder der Regierung eines Mitgliedstaats, offiziell informiert werden soll, sofern sie nicht geeignet und darauf ausgerichtet ist, das Ergebnis einer Wahl bzw. eines Referendums, das Abstimmungsverhalten oder einen Rechtsetzungs- bzw. Regulierungsprozess zu beeinflussen.
  3. die Vorstellung von Kandidat:innen in bestimmten öffentlichen Räumen bzw. Medien, die gesetzlich ausdrücklich vorgesehen ist und unentgeltlich unter Wahrung der Gleichbehandlung der Kandidat:innen erfolgt.

Jede politische Werbung auf europäischer, nationaler, regionaler oder lokaler Ebene ist von der Verordnung betroffen. Der räumliche Anwendungsbereich ist gemäß Art. 2 Abs. 1 TTPW-VO eröffnet, wenn die politische Werbung innerhalb der Europäischen Union bzw. in einem oder mehreren Mitgliedstaaten veröffentlicht und verbreitet wird oder sich an Bürger:innen der Europäischen Union richtet. Die Verordnung gilt unabhängig von den verwendeten Mitteln und unabhängig vom Ort der Niederlassung der Anbieter:innen politischer Werbedienstleistungen bzw. des Wohnsitzes oder der Niederlassung der Sponsor:innen.

Die Verordnung gilt ab dem 10. Oktober 2025 vollumfänglich in der ganzen Europäischen Union. 

Die maßgeblichen Regelungen der Verordnung sind: 

  1. Verpflichtungen zur Identifizierung, Kennzeichnung, Berichterstattung, Information und Transparenz in Bezug auf politische Werbung
  2. Melde- und Abhilfeverfahren für unzulässige politische Werbung
  3. Ergänzende Datenschutzvorgaben für das Targeting und die Anzeigenschaltung von politischer Werbung im Internet
  4. Verbot von Targeting bei Nutzung sensibler, besonders schützenswerter Daten
  5. Schaffung eines EU-Archivs zur politischen Onlinewerbung
  6. Verbot politischer Werbung aus Drittstaaten ab drei Monate vor einer betreffenden Wahl bzw. einem betreffenden Referendum

Die Verordnung trifft keine inhaltlichen Vorgaben für politische Werbung. Strengere Vorgaben durch die Mitgliedstaaten sind zulässig.
 

Die Vorschrift des Art. 18 Abs. 1 TTPW-VO erlaubt den Einsatz personenbezogener Daten für gezielt ausgespielte politische Online-Werbung nur unter strengen Voraussetzungen. Zulässig ist dies ausschließlich, wenn die Daten von der betroffenen Person selbst bereitgestellt wurden, die Person eine ausdrückliche und gesonderte Einwilligung in deren Verarbeitung zu Zwecken der politischen Werbung erteilt hat und keine Verfahren des Profilings unter Nutzung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO zum Einsatz kommen. Dabei handelt es sich beispielsweise um Angaben zu politischen Meinungen, weltanschaulichen Überzeugungen oder Gesundheitsdaten.

Verantwortliche sind nach Art. 18 Abs. 4 TTPW-VO zudem verpflichtet, Do-Not-Track-Signale zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass betroffenen Personen eine gleichwertige Möglichkeit zur Nutzung des betreffenden Online-Dienstes eröffnet wird, ohne dass sie politischer Werbung ausgesetzt sind.

Ausnahmen gelten gemäß Art. 18 Abs. 3 TTPW-VO für Mitteilungen politischer Parteien, Stiftungen, Verbände oder sonstiger gemeinnütziger Einrichtungen, soweit diese an Mitglieder oder ehemalige Mitglieder gerichtet sind oder auf Abonnementdaten beruhen.
 

In den Internetwerbenetzwerken und durch die großen Onlineplattformen werden u. a. mittels Trackingtechnologien personenbezogene Daten erhoben, ausgewertet und bestimmten Interessenkategorien zugeordnet. 

Dadurch entstehen umfangreiche Interessens- und Verhaltensprofile, die es den Werbenden ermöglichen, auf Websites, Onlineplattformen oder über Social-Media-Kanäle mithilfe von Targetingverfahren maßgeschneiderte Inhalte an ausgewählte Adressat:innen auszuspielen. Diese sollen dadurch so effektiv wie möglich mit der Werbung erreicht werden, d. h. die Instrumente sind dahingehend optimiert, die Adressat:innen so zu beeinflussen, wie von den Werbenden gewünscht.
 

Die Verordnung sieht in Art. 19 Abs. 1 TTPW-VO eine Reihe von Dokumentations- und Informationspflichten für Verantwortliche vor. Diese ergänzen die allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorgaben, die die Verantwortlichen ebenfalls einhalten müssen (insbesondere Art. 5 Abs. 2 sowie Art. 13, 14, 25 und 30 DSGVO). 

Gemäß der TTPW-VO müssen Verantwortliche unter anderem:

  • eine interne Regelung zum Einsatz von Targeting- oder Anzeigenschaltungsverfahren im Zusammenhang mit politischer Werbung im Internet annehmen, umsetzen und öffentlich zugänglich machen,
  • Protokolle über den Einsatz dieser Verfahren führen,
  • zusammen mit dem Hinweis, dass es sich um eine politische Anzeige handelt, den betroffenen Personen auch eine Reihe an Informationen zum Targeting zur Verfügung stellen. Dazu zählen spezifische Gruppen von gezielt angesprochenen Empfängern inkl. zur Bestimmung verwendeter Parameter, verwendete Kategorien personenbezogener Daten, Ziele sowie Mechanismen und Logik des Targetings, Einsatz von Systemen der künstlichen Intelligenz, Zeitraum der Verbreitung und Zahl der Einzelpersonen und ein Link oder klarer Hinweis darauf, wo die o.g. interne Regelung leicht abgerufen werden kann.
  • eine interne jährliche Risikobewertung vornehmen und deren Ergebnisse öffentlich verfügbar machen,
  • auf wirksame Mittel hinweisen, die Einzelpersonen bei der Ausübung ihrer DSGVO-Betroffenenrechte unterstützen inkl. einem Link zu einer Schnittstelle, die die Ausübung dieser Rechte ermöglicht. 
     
  • Eine Partei schaltet eine Anzeige auf Social Media-Plattformen, um vor einer anstehenden Wahl politisch für sich zu werben. Dabei werden die von der Plattform bereitgestellten Targeting- und Anzeigenschaltungsverfahren eingesetzt, um die Werbung möglichst zielgenau auf potenzielle Wähler:innen auszurichten und diese von einer Stimme für sich zu überzeugen.
  • Eine Werbeagentur schaltet im Auftrag eines Interessenverbands auf einer Streaming-Plattform einen Werbespot vor oder im Zusammenhang mit einem Video oder einem Podcast. Dabei werden Targetingverfahren basierend auf den Zuschauer:innen und Hörer:innen eingesetzt.
  • Eine Politikerin platziert eine politische Anzeige auf einer Nachrichtenseite unter Zuhilfenahme von Targetingverfahren. Dies kann entweder durch eine konkrete Einzelabrede mit dem Webseitenbetreiber passieren oder im Rahmen des Real-Time-Bidding-Verfahrens als Teil von Werbenetzwerken der AdTech-Branche, die die Politikerin sich angeschlossen hat.
  • Ein Interessenverband nutzt in seinem für die Allgemeinheit abonnierbaren E-Mail-Newsletter Targeting-Verfahren, durch die der Inhalt der Nachricht und der Empfängerkreis auf die einzelnen Empfänger angepasst wird, um noch erfolgreicher politisch für sich zu werben.
     

Die Verordnung verbietet den Einsatz von Targeting- bzw. Anzeigenschaltungsverfahren, die mit der Verarbeitung personenbezogener Daten einer Person einhergehen, bei der der Verantwortliche mit hinreichender Sicherheit davon ausgehen kann, dass sie das Wahlalter frühestens in einem Jahr erreicht (Art. 18 Abs. 2 TTPW-VO).

Nach Art. 18 Abs. 3 TTPW-VO finden die Vorgaben des Art. 18 TTPW-VO keine Anwendung auf Mitteilungen bestimmter politischer Akteure an ihre (ehemaligen) Mitglieder. Dies betrifft Mitteilungen politischer Parteien, Stiftungen, Verbände oder anderer gemeinnütziger Einrichtungen an ihre Mitglieder und ehemaligen Mitglieder. Erfasst sind außerdem Mitteilungen wie etwa Newsletter, die mit der politischen Tätigkeit dieser Einrichtungen in Verbindung stehen. 

Voraussetzung ist jedoch, dass sich diese Mitteilungen ausschließlich auf Abonnementdaten stützen. Sie müssen daher streng auf Mitglieder, ehemalige Mitglieder oder Abonnenten beschränkt sein. Zudem dürfen sie sich nur auf von den Betroffenen selbst bereitgestellte personenbezogene Daten beziehen. Eine Verarbeitung personenbezogener Daten zur zielgenauen Auswahl oder zu einer sonstigen weiteren Eingrenzung der Empfänger und der versandten Nachrichten ist hingegen ausgeschlossen.
 

Für die Aufsicht in Bezug auf Artikel 18 und Artikel 19 der Verordnung sind die Datenschutzbehörden zuständig. 

Diese haben insofern die Untersuchungs- und Abhilfebefugnisse nach Art. 58 DSGVO in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 Satz 2 TTPW-VO und dürfen bei Verstößen gegen Art. 18 oder 19 TTPW-VO Bußgelder verhängen. Diese können bis zu 20 Millionen Euro oder bei Unternehmen bis zu 4 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes betragen. 
 

Die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit ist für die Überwachung der Einhaltung von Art. 18 und 19 TTPW-VO durch Verantwortliche (z. B. Parteien, Politiker:innen, Online-Plattformen, Werbedienstleister) mit Sitz in Berlin zuständig. 

Insofern der Verantwortliche seinen Sitz in Berlin hat, können Sie sich mit einer Beschwerde an uns wenden. Dafür stellen wir ein Beschwerdeformular zu Verfügung. 

Die Europäische Kommission hat Leitlinien zur Umsetzung der Verordnung veröffentlicht.

In Bezug auf die datenschutzrechtlich relevanten Aspekte erarbeiten die europäischen Datenschutzaufsichtsbehörden ebenfalls derzeit konkrete Empfehlungen zur Anwendung der Verordnung.